MID355-M020-048
Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.
IS - 8 -
den echten Größen, langer blauer Rock, kein Stäubchen, hoher roter
Kragen, keine Falte, gerader Mützenschirm oder blanker
Schuppenhelm, ein Fisch, den die Fischfrauen nicht ausrufen und
in die Waagschale werfen, der Name der Hunnenstraße rührt von den
Hunden her, plattdeutsch, in Pommern.
Feetenbrinks Konzerthaus war ein Palast in der Hunnenstraße,
einstöckig wie die anderen Gebäude, aber eine lange Front, die
abends erleuchtet wurde wie gewöhnliche Häuser nur zu Kaisers
Geburtstag mit Siegerkranz und Wonnegans und Kerzen in den
Fenstern. Das Konzerthaus war der Stolz und die Schande der
Hunnenstraße, es gab ihr Glanz und Dunkelheit. Alle beobachteten,
wer zu Feetenbrink ging. Nicht nur alte Weiber hockten hinter den
Fensterspiegeln, diesen wie Periskope oder Polypenaugen auf die
Straße hinausgestreckten Spionen und registrierten was anfiel,
speicherten die Daten, jederzeit bereit, sie wieder auszuspucken,
bleich entrüstet, neidgrün verfärbt, frühe Elektronengehirne.
Die Gutsbesitzerwagen fahren vor, ich bewundere sie, ich streiche
drumherum, offenen Mundes, Lack funkelt, Leder spiegelt, Schmiere
salbt brunnenschwarz die Naben der Räder, es näßt es dampft es
glänzt der Pferde Fell, der Hausknecht präsentiert eine
unsichtbare Standarte, alter Königinkürassier, wenn er den Namen
Pasewalk nennt oder hört, die Stadt in der er diente, in der man
ihn kleinkriegte, in der er stramme weiße Hosen trug, sieht er wie
der Trompeter von Thionville aus, wie die Attacke von Mars-la
Tour, und ich denke an Pasewalker Spritzkuchen, süß leicht und
fettig wie eine schwere gezuckerte Luft, - - -
den echten Größen, langer blauer Rock, kein Stäubchen, hoher roter
Kragen, keine Falte, gerader Mützenschirm oder blanker
Schuppenhelm, ein Fisch, den die Fischfrauen nicht ausrufen und
in die Waagschale werfen, der Name der Hunnenstraße rührt von den
Hunden her, plattdeutsch, in Pommern.
Feetenbrinks Konzerthaus war ein Palast in der Hunnenstraße,
einstöckig wie die anderen Gebäude, aber eine lange Front, die
abends erleuchtet wurde wie gewöhnliche Häuser nur zu Kaisers
Geburtstag mit Siegerkranz und Wonnegans und Kerzen in den
Fenstern. Das Konzerthaus war der Stolz und die Schande der
Hunnenstraße, es gab ihr Glanz und Dunkelheit. Alle beobachteten,
wer zu Feetenbrink ging. Nicht nur alte Weiber hockten hinter den
Fensterspiegeln, diesen wie Periskope oder Polypenaugen auf die
Straße hinausgestreckten Spionen und registrierten was anfiel,
speicherten die Daten, jederzeit bereit, sie wieder auszuspucken,
bleich entrüstet, neidgrün verfärbt, frühe Elektronengehirne.
Die Gutsbesitzerwagen fahren vor, ich bewundere sie, ich streiche
drumherum, offenen Mundes, Lack funkelt, Leder spiegelt, Schmiere
salbt brunnenschwarz die Naben der Räder, es näßt es dampft es
glänzt der Pferde Fell, der Hausknecht präsentiert eine
unsichtbare Standarte, alter Königinkürassier, wenn er den Namen
Pasewalk nennt oder hört, die Stadt in der er diente, in der man
ihn kleinkriegte, in der er stramme weiße Hosen trug, sieht er wie
der Trompeter von Thionville aus, wie die Attacke von Mars-la
Tour, und ich denke an Pasewalker Spritzkuchen, süß leicht und
fettig wie eine schwere gezuckerte Luft, - - -