MID355-M020-091
Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.
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tückischer Demut, familiärer Niedertracht in Furcht und Enge und
blind in Dummheit, nach der verwelkenden Erinnerung an die armen
Helden des Krieges, nach der konservierten schönen Leiche des
Kaiserreichs den von hinten erdolchten pasewalker Kürassier im Köchinnenglanz
der roten Biesen auf weißem Tuch, nach dem Mensurblut der Studenten
über den stinkenden Schurz koporierten Mutes ins Sägemehl der
Kneipen gelaufen, nach dem Blut der von tollwütiger Feme
Erschlagenen, ins Torfmoor versenkt, zu den Hünengräbern getragen,
nach Mädchenblut in versteckter Wäsche unter das Sofa der guten
Stube gestopft, nach der Asepsis, dem Eiter, der Anatomie der
Kliniken, dem Schweiß der Kranken, dem Entsetzen der Sterbenden,
der Angst der Examinierten und der schuldig Unschuldigen im
Gefängnis ausgeliefert den Wärtern, nach dem Wahn der Irren in der
Heilanstalt hinter den Gleisen und nach den Witzen die man über
sie macht, nach den verfaulten Blumen der Friedhöfe und dem Tod,
den jeder in seiner Brust trägt, nach dem gasenden Schlick des
Wallgrabens und der Abwässer, dem drängenden Atem der Liebenden
unter dem Gebüsch in den Ruderbooten des Sommers, nach den
Gespinsten der Professoren, den toten Herzen der Beamten dem Staub
der Gesetze, und dann die Armut der Langen Reihe und der grauen
Schule verknöcherte Schmach, wie haßte ich die Stadt und wünschte
die Schlangen herbei, eine gleitende Natter um jeden Pfosten,
der ein Dach trug, ein Bett und den tiefen Schlaf all der
Gerechten stützte.
Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten von
Putbus, und das Schloß sieht genau wie das Schloß des Fürsten von
Putbus auf der Ansichtspostkarte aus, die sie am Eingang des
Parkes verkaufen, für zehn Pfennig eine schwarzweiße, nein eine
graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig das weiße Schloß
unter azurblauem, fast tropischem Himmel auf einem stechendgrünen
Rasen. - - -
tückischer Demut, familiärer Niedertracht in Furcht und Enge und
blind in Dummheit, nach der verwelkenden Erinnerung an die armen
Helden des Krieges, nach der konservierten schönen Leiche des
Kaiserreichs den von hinten erdolchten pasewalker Kürassier im Köchinnenglanz
der roten Biesen auf weißem Tuch, nach dem Mensurblut der Studenten
über den stinkenden Schurz koporierten Mutes ins Sägemehl der
Kneipen gelaufen, nach dem Blut der von tollwütiger Feme
Erschlagenen, ins Torfmoor versenkt, zu den Hünengräbern getragen,
nach Mädchenblut in versteckter Wäsche unter das Sofa der guten
Stube gestopft, nach der Asepsis, dem Eiter, der Anatomie der
Kliniken, dem Schweiß der Kranken, dem Entsetzen der Sterbenden,
der Angst der Examinierten und der schuldig Unschuldigen im
Gefängnis ausgeliefert den Wärtern, nach dem Wahn der Irren in der
Heilanstalt hinter den Gleisen und nach den Witzen die man über
sie macht, nach den verfaulten Blumen der Friedhöfe und dem Tod,
den jeder in seiner Brust trägt, nach dem gasenden Schlick des
Wallgrabens und der Abwässer, dem drängenden Atem der Liebenden
unter dem Gebüsch in den Ruderbooten des Sommers, nach den
Gespinsten der Professoren, den toten Herzen der Beamten dem Staub
der Gesetze, und dann die Armut der Langen Reihe und der grauen
Schule verknöcherte Schmach, wie haßte ich die Stadt und wünschte
die Schlangen herbei, eine gleitende Natter um jeden Pfosten,
der ein Dach trug, ein Bett und den tiefen Schlaf all der
Gerechten stützte.
Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten von
Putbus, und das Schloß sieht genau wie das Schloß des Fürsten von
Putbus auf der Ansichtspostkarte aus, die sie am Eingang des
Parkes verkaufen, für zehn Pfennig eine schwarzweiße, nein eine
graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig das weiße Schloß
unter azurblauem, fast tropischem Himmel auf einem stechendgrünen
Rasen. - - -