MID355-M020-051
Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.
IS - 11 -
eine Sängerin, eine Nachtigall, sie schenkt mir was sie mir am
Fenster zeigte, einen Reiter auf einem Pferd, Reiter und Pferd
sind aus Holz, das Pferd ist weiß und schwarz, der Reiter ist weiß
und rot, ich liebe den Reiter und sein Pferd, ich werde sie nie
wieder hergeben, ich drücke sie gegen die Brust und fange zu
weinen an, ich habe meine Mutter betrübt.
Mit Bismarck verbinden mich sehr persönliche Erinnerungen. Wir sind
uns ähnlich. Bismarck weinte, er warf sich, der schwere Leib, auf
das Sofa, ich stelle sie mir vor, die weißen Sofaschoner, die von
liebender Hand gestickten Sofakissen, die von dienender Hand
schön gekämmten Sofafransen, und Bismarck weinte. Ich nicht. Sie
hatten mir als Kind und im Namen Bismarcks oder auch eines
preußischen Königs zu oft gesagt: Ein Mann weint nicht. So weine
ich nur, wenn ich Bismarck bin. Ich lernte ihn in meinen jüngsten
Jahren kennen, Bismarck stand auf der Nähmaschine, oder er stand
neben der Nähmaschine, auf der meine Mutter das Bettzeug eines
dieser pommerschen Rittergüter flickte, Lössin oder Wunkenhagen
oder Demeritz, und Bismarck war aus Erz gegossen, er hatte
Schaftstiefel aus reinem Erz an, er hielt einen Schleppsäbel aus
Erz in der erzenen Hand und auf dem Kopf aus Erz saß ihm ein
Adler, auch aus Erz. Auf einem Helm aus Erz. Diese Figur sah aus
als ob sie mich einschüchtern wollte. Bismarck wog viel, und ich
konnte ihn damals nicht heben, aber wenn ihn ein Mann richtig
gefaßt hätte, hätte er einen anderen Mann mit ihm totschlagen
können. Der Herr von Lössin oder der Herr von Wunkenhagen oder der
von Demeritz tat das nicht. - - -
eine Sängerin, eine Nachtigall, sie schenkt mir was sie mir am
Fenster zeigte, einen Reiter auf einem Pferd, Reiter und Pferd
sind aus Holz, das Pferd ist weiß und schwarz, der Reiter ist weiß
und rot, ich liebe den Reiter und sein Pferd, ich werde sie nie
wieder hergeben, ich drücke sie gegen die Brust und fange zu
weinen an, ich habe meine Mutter betrübt.
Mit Bismarck verbinden mich sehr persönliche Erinnerungen. Wir sind
uns ähnlich. Bismarck weinte, er warf sich, der schwere Leib, auf
das Sofa, ich stelle sie mir vor, die weißen Sofaschoner, die von
liebender Hand gestickten Sofakissen, die von dienender Hand
schön gekämmten Sofafransen, und Bismarck weinte. Ich nicht. Sie
hatten mir als Kind und im Namen Bismarcks oder auch eines
preußischen Königs zu oft gesagt: Ein Mann weint nicht. So weine
ich nur, wenn ich Bismarck bin. Ich lernte ihn in meinen jüngsten
Jahren kennen, Bismarck stand auf der Nähmaschine, oder er stand
neben der Nähmaschine, auf der meine Mutter das Bettzeug eines
dieser pommerschen Rittergüter flickte, Lössin oder Wunkenhagen
oder Demeritz, und Bismarck war aus Erz gegossen, er hatte
Schaftstiefel aus reinem Erz an, er hielt einen Schleppsäbel aus
Erz in der erzenen Hand und auf dem Kopf aus Erz saß ihm ein
Adler, auch aus Erz. Auf einem Helm aus Erz. Diese Figur sah aus
als ob sie mich einschüchtern wollte. Bismarck wog viel, und ich
konnte ihn damals nicht heben, aber wenn ihn ein Mann richtig
gefaßt hätte, hätte er einen anderen Mann mit ihm totschlagen
können. Der Herr von Lössin oder der Herr von Wunkenhagen oder der
von Demeritz tat das nicht. - - -