18.3.1963
und vom Krieg übrig geblieben. Die grauen Zwirnstrümpfe
meiner Mutter haben Löcher; einige sind gestopft, zu
anderen reichte der Faden nicht oder die Zeit nicht.
Die Sohlen ihrer Schuhe sind durchgetreten. Der Kragen
und die Manchetten ihrer weissen Bluse sind schmutzig.
Meine Mutter besitzt keine andere Bluse. Manchmal
wäscht sie die Bluse in der Waschschüssel auf dem Wasch-
ständer in ihrer Kammer, aber sie kann sie nicht immer
waschen. Auch ihr rast die Zeit. Die Kunst beansprucht
sie. Es ist aber nicht die Kunst, es ist das Schick-
sal. Meiner Mutter Gesicht ist weiss, geronnene Milch,
meine Mutter ist gejagt, sie stürzt, sie ist, sie
fühlt es, am Ende. Der Tod wird kommen, der Tod kommt
bald, sie weiss es noch nicht, aber die beinerne Hand
liegt schon auf ihrem Herzen. Ihre eigene Hand, die
den Bleistift über das gelbliche Kanzleipapier fürrt
und mich in eine Verdammnis stösst, der sie nicht Herr
wurde, zittert. Meine Mutter sitzt in einem Käfig,
der Käfig ist eng. Seine drei Wände berühren sie.
Die vierte Wand fehlt. Die Luft in dem Käfig schwelt
nach Hobelspänen nach Tischlerleim, nach ätzender
Farbe, vor allem nach Staub. Die Luft dunstet auch
nach heissen Füssen in für die Jahreszeit zu festen
und zu lange getragenen Schuhen. Der gepriesene Him-
mel der Badegäste ist nicht zu sehen. Die schöne Ost-
see ist gleichfalls nicht zu sehen. Der Sommer ist
weit weg. Nur seine Hitze fällt schwer in den Keller,
und vom Krieg übrig geblieben. Die grauen Zwirnstrümpfe
meiner Mutter haben Löcher; einige sind gestopft, zu
anderen reichte der Faden nicht oder die Zeit nicht.
Die Sohlen ihrer Schuhe sind durchgetreten. Der Kragen
und die Manchetten ihrer weissen Bluse sind schmutzig.
Meine Mutter besitzt keine andere Bluse. Manchmal
wäscht sie die Bluse in der Waschschüssel auf dem Wasch-
ständer in ihrer Kammer, aber sie kann sie nicht immer
waschen. Auch ihr rast die Zeit. Die Kunst beansprucht
sie. Es ist aber nicht die Kunst, es ist das Schick-
sal. Meiner Mutter Gesicht ist weiss, geronnene Milch,
meine Mutter ist gejagt, sie stürzt, sie ist, sie
fühlt es, am Ende. Der Tod wird kommen, der Tod kommt
bald, sie weiss es noch nicht, aber die beinerne Hand
liegt schon auf ihrem Herzen. Ihre eigene Hand, die
den Bleistift über das gelbliche Kanzleipapier fürrt
und mich in eine Verdammnis stösst, der sie nicht Herr
wurde, zittert. Meine Mutter sitzt in einem Käfig,
der Käfig ist eng. Seine drei Wände berühren sie.
Die vierte Wand fehlt. Die Luft in dem Käfig schwelt
nach Hobelspänen nach Tischlerleim, nach ätzender
Farbe, vor allem nach Staub. Die Luft dunstet auch
nach heissen Füssen in für die Jahreszeit zu festen
und zu lange getragenen Schuhen. Der gepriesene Him-
mel der Badegäste ist nicht zu sehen. Die schöne Ost-
see ist gleichfalls nicht zu sehen. Der Sommer ist
weit weg. Nur seine Hitze fällt schwer in den Keller,