an manchen Abenden ging ich in das Theater. Wenn meine Mutter
leichterer Laune war, nannte sie mich einen Premierentiger. Sie
mußte diesen Ausdruck in irgendeinem Buch gelesen haben, und sie
gebrauchte ihn mir gegenüber spöttisch, doch auch mit einer Ver-
wunderung, in der Anerkennung lag. Später erfuhr ich allerdings,
daß sie an Olga in dieser Zeit Briefe geschrieben hatte, die
sich beklagten, er verbringt einen schönen Winter, am Abend
geht er ins Theater. War dieser Winter schön? Ich hatte Anspruch
auf eine Karte, es war eine Art Gewohnheitsrecht, ich verteidig-
te es, aber ich wunderte mich, daß es mir gelang. Ich betrat
durch die falschen Sandsteinsäulen des Portikus die Kaseenhalle
aus kaltem nachgemachtem Marmor erwartungsvoll und niederge -
schlagen. Ich roch schon hier die Theaterluft, und sie versprach
mir viel, das sie nicht ahalten würde. Ich ging zu dem Kassen-
schalter, ängstlich und doch hochgemut, ich blickte Fräulein
Mannhard, die hinter der Kassiererin stand un-d die Verteilung
der Premierenkarten überwachte, fest und fordernd an und war über-
zeugt, daß sie mich nicht mochte. Zuweilen biß sich mein Blick
in ihrem Gesicht fest . Nicht feindlich, ich hatte nichts gegen
Fräulein Mannhard und wollte sie nicht verletzen, aber der Ge-
danke, daß sie mir etwas antun konnte, ließ sie mich neugierig
betrachten, denn die Neugierde, die ich garnicht empfand, führte
von meiner Person fort zu ihr, und ich suchte in ihrem etwas
teigigen fraulichen Gesicht die Wahrheit des Klatsches, der über
sie im Theater verbreitet wurde und ich fragte mich, warum Emanu-
el mit Fräulein Mnnnhard geschlafen haben sollte und in seinem
Büro Eifersuchtsszenen von ihr hinnahm. Nie kam mir der Gedanke,
daß Fräulein Mannhard leide. Die ganze Sache interessierte mich
nicht, aber vor dem Kassenschalter, wenn ich meine Karte forder-
te
leichterer Laune war, nannte sie mich einen Premierentiger. Sie
mußte diesen Ausdruck in irgendeinem Buch gelesen haben, und sie
gebrauchte ihn mir gegenüber spöttisch, doch auch mit einer Ver-
wunderung, in der Anerkennung lag. Später erfuhr ich allerdings,
daß sie an Olga in dieser Zeit Briefe geschrieben hatte, die
sich beklagten, er verbringt einen schönen Winter, am Abend
geht er ins Theater. War dieser Winter schön? Ich hatte Anspruch
auf eine Karte, es war eine Art Gewohnheitsrecht, ich verteidig-
te es, aber ich wunderte mich, daß es mir gelang. Ich betrat
durch die falschen Sandsteinsäulen des Portikus die Kaseenhalle
aus kaltem nachgemachtem Marmor erwartungsvoll und niederge -
schlagen. Ich roch schon hier die Theaterluft, und sie versprach
mir viel, das sie nicht ahalten würde. Ich ging zu dem Kassen-
schalter, ängstlich und doch hochgemut, ich blickte Fräulein
Mannhard, die hinter der Kassiererin stand un-d die Verteilung
der Premierenkarten überwachte, fest und fordernd an und war über-
zeugt, daß sie mich nicht mochte. Zuweilen biß sich mein Blick
in ihrem Gesicht fest . Nicht feindlich, ich hatte nichts gegen
Fräulein Mannhard und wollte sie nicht verletzen, aber der Ge-
danke, daß sie mir etwas antun konnte, ließ sie mich neugierig
betrachten, denn die Neugierde, die ich garnicht empfand, führte
von meiner Person fort zu ihr, und ich suchte in ihrem etwas
teigigen fraulichen Gesicht die Wahrheit des Klatsches, der über
sie im Theater verbreitet wurde und ich fragte mich, warum Emanu-
el mit Fräulein Mnnnhard geschlafen haben sollte und in seinem
Büro Eifersuchtsszenen von ihr hinnahm. Nie kam mir der Gedanke,
daß Fräulein Mannhard leide. Die ganze Sache interessierte mich
nicht, aber vor dem Kassenschalter, wenn ich meine Karte forder-
te