MID355-M013-002

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MID355-M013
Absolute Datierung
-
Zuordnung
51
Kopie
nein
Durchschlag
nein
hinter der Kassiererin stand und die Verteilung der Premieren-
karten überwachte, fest und fordernd an und war überzeugt,
dass sie mich nicht mochte. Zuweilen biss sich mein Blick in
ihrem Gesicht fest, nicht feindlich, ich hatte nichts gegen
Fräulein Mannhardt und wollte sie nicht verletzen, aber der
Gedanke, dass sie mir etwas yntun konnte, liess sie mich neu-
gierig betrachten, denn die Neugierde auf ihr Leben, die ich
in Wahrheit garnicht empfand, führte von meiner Person fort
zu ihr, und ich suchte in ihrem etwas talkigen fraulichen Ge-
sicht die Wahrheit des Klatsches, der über sie im Theater ver-
breitet wurde, und ich fragte mich, warum Emanuel mit Fräu-
lein Mannhardt geschlafen haben sollte und nun in seinem Büro
Eifersuchtsszenen von ihr erdulden musste. Nie kam mir der Ge-
danke, dass Fräulein Mannhardt leide. Ihre vielbesprochene Affä-
re langweilte mich, aber vor dem Kassenschalter, wenn ich meine
Karte forderte und in dieser Hinsicht von Fräulein Mannhardt
abhängig war, fand ich ihren Anspruch auf Emanuels Treue lächer-
lich, ja dass er sie überhaupt beachtet haben sollte, schien mir
so unwahrscheinlich, dass ich in ihren trübe schimmernden Augen
Irrsinn zu lesen glaubte, und der Klatsch kam mir wie ein von
ihr, weil sie ja wahnsinnig war, verbreitetes Gerücht vor. Fräu-
lein Mannhardt warf mir meine Karte hin, wiederwillig und wie
über meine Existenz empört. Ich ging durch die Flügeltür d in
das Foyer. Der noch leere Zuschauerraum lag hinter den offenen
Türen wie eine dämmrige Höhle da und versprach Zuflucht. Ich
nutzte sie nicht. Ich war nicht unschuldig. Ich war mir meines
zerrissenen, meines schmutzigen, meines einzigen Anzuges, der
geflickten Ärmel, der ausgefransten Hose, der schiefgetretenen
Absätze und der Löcher meiner Schuhe bewusst, und ich stellte