BR-HF-27108-Teil1-Seite05
Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.
IS - 5 -
Sankt Nikolai wirft seinen schweren lutherischen Schatten in die
Hunnenstraße. Die Betrunkenen kommen erst später. Die
Hunnenstraße heißt nicht nach den Hunnen, die Hunnen überfallen
die Straße, nur nicht zu Pferd, sie ziehend triumphierend durch,
sie sind die Sieger auch zu Fuß, so sind sie die Helden, es sind
fröhliche Leute, sie lachen, sie singen, sie treten das grobe
Pflaster, an besonderen Tagen mit Stulpenstiefeln und Sporen, sie
blicken ernst und fürchterlich mit aufgezwirbelten Schnurrbärten,
sie schlagen, streichen, wippen mit federnden Stöcken gegen die
zerschundenen Gesimse, den greisen Mörtel, den gnomgesichtigen
Verputz der Häuser, sie schauen suchend in die Fenster zur ebenen
Erde, forschen zwischen den Betten, dem alten Hausaltar von
Zeugung und Geburt und Tod, zwischen den Gestängen der
Waschtische‚ den schilfumwundenen Wasserkannen, den vor- oder
nachgehenden oder stillstehenden Uhren mit dem schlagenden oder
kranken Perpendikel, den Köpfen toter Rehe, den Porträts hoher
Herrschaften hinter Glas oder in Öl, dem angestoßenen Nippes auf
den Nußbaumvertikos, den Zuckerwerktänzerinnen, die sich vor
hohlen Muscheln in denen das Meer summt erregen, den schweren
Ritterburgportieren, den getragenen den abgelegten den paraten
Kleidungsstücken, den leeren oder den vollen Wiegen, die Hunnen
begehren, sie fordern Beute, sie singen ein Lied o filia
hospitales, Cherusker, Vandalen, Teutonen, Cimbern, grüne blaue
rote gelbe Mützen und die schwarzen Masken der frischen
Wundbinden nach dem blutigen Kampf, scharf schneiden die Klingen
der Mensur, ein hohes Pfeifen in der Luft, erstarrt über den
verpflasterten Gesichtern, - - -
Sankt Nikolai wirft seinen schweren lutherischen Schatten in die
Hunnenstraße. Die Betrunkenen kommen erst später. Die
Hunnenstraße heißt nicht nach den Hunnen, die Hunnen überfallen
die Straße, nur nicht zu Pferd, sie ziehend triumphierend durch,
sie sind die Sieger auch zu Fuß, so sind sie die Helden, es sind
fröhliche Leute, sie lachen, sie singen, sie treten das grobe
Pflaster, an besonderen Tagen mit Stulpenstiefeln und Sporen, sie
blicken ernst und fürchterlich mit aufgezwirbelten Schnurrbärten,
sie schlagen, streichen, wippen mit federnden Stöcken gegen die
zerschundenen Gesimse, den greisen Mörtel, den gnomgesichtigen
Verputz der Häuser, sie schauen suchend in die Fenster zur ebenen
Erde, forschen zwischen den Betten, dem alten Hausaltar von
Zeugung und Geburt und Tod, zwischen den Gestängen der
Waschtische‚ den schilfumwundenen Wasserkannen, den vor- oder
nachgehenden oder stillstehenden Uhren mit dem schlagenden oder
kranken Perpendikel, den Köpfen toter Rehe, den Porträts hoher
Herrschaften hinter Glas oder in Öl, dem angestoßenen Nippes auf
den Nußbaumvertikos, den Zuckerwerktänzerinnen, die sich vor
hohlen Muscheln in denen das Meer summt erregen, den schweren
Ritterburgportieren, den getragenen den abgelegten den paraten
Kleidungsstücken, den leeren oder den vollen Wiegen, die Hunnen
begehren, sie fordern Beute, sie singen ein Lied o filia
hospitales, Cherusker, Vandalen, Teutonen, Cimbern, grüne blaue
rote gelbe Mützen und die schwarzen Masken der frischen
Wundbinden nach dem blutigen Kampf, scharf schneiden die Klingen
der Mensur, ein hohes Pfeifen in der Luft, erstarrt über den
verpflasterten Gesichtern, - - -