MID355-M024-063

Archivmappe
MID355-M024
Absolute Datierung
-
Zuordnung
8
Kopie
nein
Durchschlag
nein
Unsere Kleider sind vom Regen durchweicht, und es ist, als seien wir
in Schweiß gebadet, und der Friedhofsgärtner geht uns voran und führt
uns in ein Haus, in eines seiner Häuser auf seinem Friedhof, die
häuser haben Säulen vor ihrem Eingang und ihre Dächer haben hohe
spitze Giebel, aber es sind sehr niedrige, es sind recht kleich
Häuser, in denen die Toten wohnen. Man muß wohlhabend dein oder wohl-
habend gewesen sein, um nicht in die Erde gelegt zu werden, nicht in
die Feuchte, nicht zu den Wurzeln, zu den Würmern, um in einem solchen
Haus beigesetzt zu werden, muß man einer alten Familie angehört ha-
ben, die schon immer ein stilles Haus für ihre Toten hatte und es
vielleicht noch hat, auch wenn sie schon arm geworden ist. Das Haus ,
in das wir eintreten, ist leer. Vielleicht ist die Familie, die um
diese Toten trauerte, weggezogen oder sie ist ausgestorben und was
aus den Toten geworden ist, weiß man nicht, vielleicht hat man ihre
Knochen auch hinausgeworfen, weil niemand für sie die Miete für
das Totenhaus bezahlt hat. Es sind Stühle zurückgeblieben, Stühle für
die Trauernden, Stühle aus vergoldetem Holz, aber das Gold ist ab-
geblättert, und man sieht das Wurmstichige fast mehlweiße Holz und
darüber einen Plüsch, der einmal purpurrot war und nun in dunkle
Flecken, Streifen und Schrammen sich auflöst, gelbweiße wolkige Ge-
bilde, wahrscheinlich aus Wolle wuellen hervor. Wir sind erschöpft,
wir sind vom Regen naß und der Sitz ist moderfeucht und wir verbinden
uns mit ihm als gehörten wir zu ihm, es riecht nach dem Grab, in das
man hier nicht gelegt werden mußte, wir sind es auf einmal zufrieden,
und der Friedhofsgärtner ist unser Gastgeber.