An anderen Abenden besuchte ich das Theater. Wenn
meine Mutter nicht allzu niedergedrückt war, nannte sie
mich einen Premierentiger. Sie mußte diesen Ausdruck
in irgendeinem Buch gelesen haben und sie gebrauchte
ihn mir gegenüber spöttisch, doch auch mit etwas
Verwunderung, in der eine schwache Hoffnung lag, daß
ich mich, sie wußte nicht wie, und es wäre ein Wunder
gewesen, von dem Elend unserer Verhältnisse entpuppen
würde und zu einem hohen Flug erheben würde. Dieses
Wort und die Anschauung meiner Mutter ärgerten mich.
Ich stellte mir eine Vogelscheuche vor wie auf dem
Umschlagbild des Junggesellen oder der Eleganten Welt,
einen Herrn im Frack mit einem weiß oder rot gefütterten
Cape, einem Zylinderhut auf brillantineglänzendem Haar
und einem Geiicht, das man nach den Schafen nannte, die
dieses Gesicht niemals zeigen, ein Ignoranz, der aus
gesellschaftlichen Überlegungen in das Theater ging,
und dieser Gedanke war mir so zuwider, daß ich seinet-
wegen alle Theater hätte in die Luft sprengen mögen.
Später erfuht ich allerdings, daß meine Mutter während
dieser Zeit an Olga (nach Japan) Briefe geschrieben
hatte, in denen sie sich bitter beklagte, daß ich einen
schönen Winter verbringe und am Abend ins Theater ginge.
War dieser Winter schön? Er war kalt udn ich litt hungerte
Hunger. Im Theater hatte ich Anspruch auf eine Freikarte,
ich hatte diesen Anspruch durchgesetzt und er war eine
Art Gewohnheitsrecht geworden, das ich immer wieder
verteidigte, wenn es mich auch wunderte, daß es überhaupt
meine Mutter nicht allzu niedergedrückt war, nannte sie
mich einen Premierentiger. Sie mußte diesen Ausdruck
in irgendeinem Buch gelesen haben und sie gebrauchte
ihn mir gegenüber spöttisch, doch auch mit etwas
Verwunderung, in der eine schwache Hoffnung lag, daß
ich mich, sie wußte nicht wie, und es wäre ein Wunder
gewesen, von dem Elend unserer Verhältnisse entpuppen
würde und zu einem hohen Flug erheben würde. Dieses
Wort und die Anschauung meiner Mutter ärgerten mich.
Ich stellte mir eine Vogelscheuche vor wie auf dem
Umschlagbild des Junggesellen oder der Eleganten Welt,
einen Herrn im Frack mit einem weiß oder rot gefütterten
Cape, einem Zylinderhut auf brillantineglänzendem Haar
und einem Geiicht, das man nach den Schafen nannte, die
dieses Gesicht niemals zeigen, ein Ignoranz, der aus
gesellschaftlichen Überlegungen in das Theater ging,
und dieser Gedanke war mir so zuwider, daß ich seinet-
wegen alle Theater hätte in die Luft sprengen mögen.
Später erfuht ich allerdings, daß meine Mutter während
dieser Zeit an Olga (nach Japan) Briefe geschrieben
hatte, in denen sie sich bitter beklagte, daß ich einen
schönen Winter verbringe und am Abend ins Theater ginge.
War dieser Winter schön? Er war kalt udn ich litt hungerte
Hunger. Im Theater hatte ich Anspruch auf eine Freikarte,
ich hatte diesen Anspruch durchgesetzt und er war eine
Art Gewohnheitsrecht geworden, das ich immer wieder
verteidigte, wenn es mich auch wunderte, daß es überhaupt
