MID355-M023-068

Wolfgang Koeppen: „Jugend. Prosa“, Süddeutscher Rundfunk, Stuttgart 14.11.1969.

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MID355-M023
Absolute Datierung
-
Zuordnung
44 Publikation: "Jugend" (SDR 1969)
Kopie
ja
Durchschlag
nein
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Sie hatten ihn erschlagen, sie hatten ihn im Wald erschlagen,
er hatte um Hilfe geschrien, vielleicht hatte er auch nicht
um Hilfe geschrien, denn er wußte ja, daß alle Ohren taub
waren und einer hatte einen Spaten, einen Feldspaten mit
kurzem Stiel, die Waffe, die die Generäle überrascht hatte,
mit der die Generäle nicht fertig geworden waren, die den
Krieg entschieden verloren oder gewonnen hatten, sie konnten
den Spaten am Koppel tragen, und sie trugen ihn gern am
Koppel, auch als sie nicht mehr dazu gezwungen waren den
Spaten am Koppel oder sonstwo zu tragen, und sie hätten gehen
können wohin sie gewollt hätten, auseinanderlaufen, von der
Fahne fort die es schon lange nicht mehr gab, aus der erzwun-
genen Gemeinschaft weg, vom Regiment des Todes, aber sie woll-
ten nicht auseinanderlaufen, nicht von der Gemeinschaft weg,
vom Tod und dem Befehl, sie fürchteten, ihre Körper könnten
verlorengehen in der Freiheit, hinweggezaubert werden, plötz-
lich nicht mehr da sein, sie brauchten ein Koppel um den
Leib und ein festes Schloß mit Gott für König und Vaterland
oder nur mit Gott mit uns, und einer schlug mit dem Spaten
auf ihn ein, von hinten, sie hatten ihn vorangehen lassen,
sie trotteten durch den Wald, der eine traf seinen Hinter-
kopf gut und von hinten dann fiel er, fiel auf den Waldboden,
fiel in das Eichenlaub das Lindenlaub die Buchenblätter das
Birkenholz, er schmeckte noch das Moos, bitter, und viel-
leicht hätter er Kresse gemocht zum Karpfen oder zum Heilbutt,
wenn er Pastor geworden wäre wie er Pastor hatte werden wollen,
am Karfreitag oder am Heiligen Abend nach dem heiligen Abend-
mahl nach der Predigt, und sie drehten ihn auf den Rücken
und traten ihn mit ihren genagelten Marschstiefeln die
zurückmarschiert waren von Verdun,