8.4.67
Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten
von Putbus, und das Schloß sieht genau wie das Schloß des
Fürsten von Putbus auf der Ansichtspostkarte aus, die sie am
Eingang des Parkes verkaufen, für zehn Pfennig eine schwarz-
weiße, nein eine graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig
das weiße Schloß unter azurblauem, fast tropischen Himmel auf
einem stechendgrünen Rasen. Das Schloß ist nicht klein und nicht
groß, es ist hell angestrichen wie mit gelöschtem Kalk beworfen,
es ist ein sehr hübsches weißangestrichenes Schloß, und für die
Insel Rügen und für Pommern ist es Versailles oder Sanssoussi
oder sonst so etwas. Auf dem schwarzen Schieferdach des Schlosses
weht die Standarte des Fürsten, der Schullehrer des Ortes Putbus
sagt, das Banner seiner Hoheit ist gesetzt, die Kurgäste sagen,
der Fürst ist zu Hause. Was denken die Kurgäste? Der Fürst speist
von goldenen Tellern, des Fürsten Krone ist in das Tischtuch ge-
stickt, die Schüsseln, das schwere Besteck tragen des Fürsten
Wappen, der Fürst regiert, aber wen regiert er? der Fürst schläft,
er umarmt die Fürstin, er zeugt den nächsten Fürsten von Putbus,
den es nicht mehr geben wird. Er liebt eine Mätresse und zeugt
einen Schriftsteller oder einen Regisseur oder einen Landwirt
oder einen Hotelbesitzer, aber manche der Einheimischen sagen
auch, ons Vörst is dood. Der Park ist nach englischer Weise ange-
legt, der Fürst oder die Fürstin oder ihre Ahnen oder der
Architekt, den sie bezahlten oder nicht bezahlten, oder irgendwer,
der ihr Ohr erreichte, ein Einflüsterer, ein Schmeichler, ein
Spekulant, vielleicht ein echter Engländer, der homosexuell und
emigriert war und seine Erinnerung an den Hydepark bekämpfte oder
pflegte, vielleicht an einem Knaben mit einem Mädchenteint oder
ein Milchmädchen milchigen Teints auf den regennassen kurzge-
schorenen Rasen geworfen und vergessen oder nicht vergessen, -
sie alle liebten und über alles die Natur. In den weiten Lichtungen
sollten Rehe waiden. Rehe waideten auch dort, kamen zutraulich
heran, ließen sich füttern mit verschimmelten Brot aus der Hand
ihrer Feinde, die Rehe schnupperten, prusteten mit feuchten Lippen
über die hingehaltene selbstzufriedene Hand, doch man sieht keine
Rehe mehr, die Rehe sind verschwunden, geraubt, geplündert, mit
dem Armeegewehr erschossen, von Handgranaten erledigt, bei Nacht
geschlachtet, vielleicht hat der Fürst sie gespeist, während die
Standarte seiner Hoheit und seiner Anwesenheit auf dem Dach seines
Schlosses wehte, vielleicht aßen auch andere die Rehe, taten sich
am Rehfleisch gütlich, während der Fürst vor leerer Tafel, vor
Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten
von Putbus, und das Schloß sieht genau wie das Schloß des
Fürsten von Putbus auf der Ansichtspostkarte aus, die sie am
Eingang des Parkes verkaufen, für zehn Pfennig eine schwarz-
weiße, nein eine graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig
das weiße Schloß unter azurblauem, fast tropischen Himmel auf
einem stechendgrünen Rasen. Das Schloß ist nicht klein und nicht
groß, es ist hell angestrichen wie mit gelöschtem Kalk beworfen,
es ist ein sehr hübsches weißangestrichenes Schloß, und für die
Insel Rügen und für Pommern ist es Versailles oder Sanssoussi
oder sonst so etwas. Auf dem schwarzen Schieferdach des Schlosses
weht die Standarte des Fürsten, der Schullehrer des Ortes Putbus
sagt, das Banner seiner Hoheit ist gesetzt, die Kurgäste sagen,
der Fürst ist zu Hause. Was denken die Kurgäste? Der Fürst speist
von goldenen Tellern, des Fürsten Krone ist in das Tischtuch ge-
stickt, die Schüsseln, das schwere Besteck tragen des Fürsten
Wappen, der Fürst regiert, aber wen regiert er? der Fürst schläft,
er umarmt die Fürstin, er zeugt den nächsten Fürsten von Putbus,
den es nicht mehr geben wird. Er liebt eine Mätresse und zeugt
einen Schriftsteller oder einen Regisseur oder einen Landwirt
oder einen Hotelbesitzer, aber manche der Einheimischen sagen
auch, ons Vörst is dood. Der Park ist nach englischer Weise ange-
legt, der Fürst oder die Fürstin oder ihre Ahnen oder der
Architekt, den sie bezahlten oder nicht bezahlten, oder irgendwer,
der ihr Ohr erreichte, ein Einflüsterer, ein Schmeichler, ein
Spekulant, vielleicht ein echter Engländer, der homosexuell und
emigriert war und seine Erinnerung an den Hydepark bekämpfte oder
pflegte, vielleicht an einem Knaben mit einem Mädchenteint oder
ein Milchmädchen milchigen Teints auf den regennassen kurzge-
schorenen Rasen geworfen und vergessen oder nicht vergessen, -
sie alle liebten und über alles die Natur. In den weiten Lichtungen
sollten Rehe waiden. Rehe waideten auch dort, kamen zutraulich
heran, ließen sich füttern mit verschimmelten Brot aus der Hand
ihrer Feinde, die Rehe schnupperten, prusteten mit feuchten Lippen
über die hingehaltene selbstzufriedene Hand, doch man sieht keine
Rehe mehr, die Rehe sind verschwunden, geraubt, geplündert, mit
dem Armeegewehr erschossen, von Handgranaten erledigt, bei Nacht
geschlachtet, vielleicht hat der Fürst sie gespeist, während die
Standarte seiner Hoheit und seiner Anwesenheit auf dem Dach seines
Schlosses wehte, vielleicht aßen auch andere die Rehe, taten sich
am Rehfleisch gütlich, während der Fürst vor leerer Tafel, vor