MID355-M005-014

Archivmappe
MID355-M005
Absolute Datierung
-
Zuordnung
37
Kopie
nein
Durchschlag
ja
sam geharkt. Meine Mutter sitzt auf einer Bank, die der
Schloßverwaltung oder dem Kurverein oder der Gemeinde
Putbus gehört. Meine Mutter schreibt. Sie schreibt keine
Ansichtspostkarte, sie transportiert nicht das Schloß des
Fürsten von Putbus nach Hause oder in die Welt. Keine
Grüße aus der Sommerfrische. Auf ihren Knien ruht ein ab-
gegriffenes Buch, eine Sammlung von Fingerabdrücken, von
Erinnerungen an gegessene Mahlzeiten, Brandflecken, ver-
paffter Zigaretten, der Klavierauszug einer lustigen
Operette, und auf dem abgegriffenen verschmierten Klavier-
auszug der lustigen Operette liegt ein Bogen gelblichen
Kanzleipapieres, den meine Tante meiner Mutter, ihrer
Schwester, geschickt hat, nachdem sie ihn aus einem Amt
mitgenommen hatte, das ihr zugänglich war. Meine Mutter
schreibt einen Brief an Olga, Ihre Schwester. Sie schreibt
über mich, Auf den Parkwegen promenieren die Kurgäste,
weil sie dazu hergekommen sind. Die Röcke der Frauen sind
kurz, sie enden unter dem Knie, das ist neu, und die alte
Fürstin von Putbus macht die Mode nicht mit, ihre Röcke
Oberrock Unterröcke fegen noch imüer den Sand, hinterlassen
eine Spur auf den Wegen wie einst im Bois oder noch zur
Zeit der Kaiserin, der Auguste Viktoria, oder vielleicht
noch der schönen Eugenie, und die Männer trugen damals
noch schser an ihrer Würde, trugen sie erhobenen Hauptes,
kragensteif, hochbehütet, über dem Bauch goldgekettet,
und den Unterleib in der Hose wie in einem Sack verborgen,
und noch weit hinter dem Horizont und der Zukunft lagen
die Gräber, die unendlichen Leichenfelder unabsehbaren
Leichenfelder. Meine Mutter ist noch jung. Auch ihr Rock
Zarin, tot schon