Satzvorlage Seite 109
Satzvorlage für „Jugend“ aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach / Wolfgang Koeppen: „In meiner Stadt war ich allein“, in: Ders.: Romanisches Café. Erzählende Prosa, Frankfurt/Main 1972, 86-98.
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du kannst den Arm nicht senken, du kannst ihn nicht run-
terkriegen, und der Matrose konnte es nicht. Da sagte der
Mann, du bis ein Esel, und der Matrose scharrte mit den
Füßen und schrie wie ein Esel. Die Männer lachten; nur
ich lachte nicht. Doch mehr war mit dem Matrosen nicht
zu erreichen, und der Hypnotiseur weckte ihn auf.
Der Mann sah mich an. Vielleicht sah er mich an, weil
ich nicht gelacht hatte. Er sagte, komm her. Ich setzte
mich auf den Stuhl, und er blickte mir in die Augen, und
ich sah in seinem Gesicht den Hunger, die Not und die
Furcht und die Verderbnis, er faulte, sein Atem roch übel
wie er schlaf, schlaf, schlaf sagte, und er strengte sich an,
Schweiß trat auf seine Stirn, und es wollte ihm nicht ge-
lingen. Da hatte ich Mitleid mit ihm, stand auf, stellte
mich auf den Stuhl und rief, Lenin spricht zu euch, erhebt
euch, zerbrecht eure Ketten. Der Hypnotiseur erhob seine
Arme, wach auf, rief er, wach auf, komm runter, was an-
deres. Er blickte mich fragend an. Das geht nicht, zischte
er mir ins Ohr. Er massierte mir die Schläfen, streichelte
mich und befahl mir, du bist Jesus, stehe auf und wandele.
Ich ging zu den Seeleuten mit einem heiligen Schritt, sie
wichen zurück, und ich segnete sie. Sie waren ergriffen.
Ich wollte lachen, aber da ergriff es auch mich. Ich war
nicht hypnotisiert, ich tat nur so, doch war etwas ge-
schehen, ein Funke war übergeschlagen.
Wir gingen am Abend und gingen jeden Abend über die
Lastadie, wir gingen am Bollwerk entlang, vorbei an den
liegenden Schiffen, dem Eis auf dem Wasser, fern von
Indien, wir gingen von Kneipe zu Kneipe, ich ging hinein,
mischte mich unter die Angetrunkenen, bestellte etwas,
rührte es aber nicht an, dann kam er, mein Meister, bat
um Aufmerksamkeit, schläferte einen ein, ließ ihn der Esel
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du kannst den Arm nicht senken, du kannst ihn nicht run-
terkriegen, und der Matrose konnte es nicht. Da sagte der
Mann, du bis ein Esel, und der Matrose scharrte mit den
Füßen und schrie wie ein Esel. Die Männer lachten; nur
ich lachte nicht. Doch mehr war mit dem Matrosen nicht
zu erreichen, und der Hypnotiseur weckte ihn auf.
Der Mann sah mich an. Vielleicht sah er mich an, weil
ich nicht gelacht hatte. Er sagte, komm her. Ich setzte
mich auf den Stuhl, und er blickte mir in die Augen, und
ich sah in seinem Gesicht den Hunger, die Not und die
Furcht und die Verderbnis, er faulte, sein Atem roch übel
wie er schlaf, schlaf, schlaf sagte, und er strengte sich an,
Schweiß trat auf seine Stirn, und es wollte ihm nicht ge-
lingen. Da hatte ich Mitleid mit ihm, stand auf, stellte
mich auf den Stuhl und rief, Lenin spricht zu euch, erhebt
euch, zerbrecht eure Ketten. Der Hypnotiseur erhob seine
Arme, wach auf, rief er, wach auf, komm runter, was an-
deres. Er blickte mich fragend an. Das geht nicht, zischte
er mir ins Ohr. Er massierte mir die Schläfen, streichelte
mich und befahl mir, du bist Jesus, stehe auf und wandele.
Ich ging zu den Seeleuten mit einem heiligen Schritt, sie
wichen zurück, und ich segnete sie. Sie waren ergriffen.
Ich wollte lachen, aber da ergriff es auch mich. Ich war
nicht hypnotisiert, ich tat nur so, doch war etwas ge-
schehen, ein Funke war übergeschlagen.
Wir gingen am Abend und gingen jeden Abend über die
Lastadie, wir gingen am Bollwerk entlang, vorbei an den
liegenden Schiffen, dem Eis auf dem Wasser, fern von
Indien, wir gingen von Kneipe zu Kneipe, ich ging hinein,
mischte mich unter die Angetrunkenen, bestellte etwas,
rührte es aber nicht an, dann kam er, mein Meister, bat
um Aufmerksamkeit, schläferte einen ein, ließ ihn der Esel
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