Satzvorlage Seite 101
Satzvorlage für „Jugend“ aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach / Wolfgang Koeppen: „In meiner Stadt war ich allein“, in: Ders.: Romanisches Café. Erzählende Prosa, Frankfurt/Main 1972, 86-98.
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Ich wollte ich sein, für mich allein. Da drängten sie sich
auf. Die Stadt entblößte sich vor mir. Sie war nicht ehrbar.
Sie hatte einen Untergrund. Die Polizei schlug. Die Richter
waren parteiisch. Der Amtmann mißbrauchte sein Amt.
Der Pfarrer glaubte nicht. Der Ertüchtiger war ein Sadist.
Die Trinker kamen und entkorkten die Flaschen. Die Gei-
len machten ihre Offerte. Morphinisten und Kokser zeigten
ihre Wunden und zeigten den Schnee. Dirnen gaben sich
zu erkennen. Diebe luden ein. Der Anthroposoph stieg mit
mir auf den Turm von Sankt Nikolai und schrie, Sie sind
der Teufel. Als er mich würgte, sah ich die See. Sie
schwankte grau unter einem grauen Himmel.
Lenz kam von den Kommunisten. Das verirrte Schaf war
in die Herde zu führen. Lenz wollte der Herde entfliehen.
Er war zerrissen. Er lief durch den Winter mit kurzen
Hosen und nackten Knien. Das verband mich mit ihm.
Wir badeten noch im November im Meer. Unsere Fahr-
räder lehnten beieinander und zitterten. An seinem Rad
hing der rote Wimpel mit dem Emblem von Hammer und
Sichel. Die Völker hörten die Signale. Die Völker hörten
nichts. Die Sirenen schwiegen. Damals schwiegen sie noch.
An meine Lenkstange hatte ich, um Lenz zu ehren, einen
schwarzen Lappen gebunden, die stolze schwarze Fahne der
Anarchie. Lenz wurde erschlagen. Das taten die mit dem
verkniffenen Gesicht. Es gab da irgendwo ein Hünengrab;
dort töteten sie ihn und verscharrten ihn gleich.
Ich wünschte ein Schauspiel. Ich reiste vierter Klasse. Ich
pochte auf die moralische Anstalt. Ich hatte zu viel gelesen.
Die Stadt rutschte hinter den Schienen weg. In Nebel, in
graue Wolken, in Schnee, in die verlorene Zeit. Sankt
Nikolai drohte zuletzt wie eine erhobene Faust. Erst später
spürte ich die Narben. Das Abteil war für Reisende mit
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Ich wollte ich sein, für mich allein. Da drängten sie sich
auf. Die Stadt entblößte sich vor mir. Sie war nicht ehrbar.
Sie hatte einen Untergrund. Die Polizei schlug. Die Richter
waren parteiisch. Der Amtmann mißbrauchte sein Amt.
Der Pfarrer glaubte nicht. Der Ertüchtiger war ein Sadist.
Die Trinker kamen und entkorkten die Flaschen. Die Gei-
len machten ihre Offerte. Morphinisten und Kokser zeigten
ihre Wunden und zeigten den Schnee. Dirnen gaben sich
zu erkennen. Diebe luden ein. Der Anthroposoph stieg mit
mir auf den Turm von Sankt Nikolai und schrie, Sie sind
der Teufel. Als er mich würgte, sah ich die See. Sie
schwankte grau unter einem grauen Himmel.
Lenz kam von den Kommunisten. Das verirrte Schaf war
in die Herde zu führen. Lenz wollte der Herde entfliehen.
Er war zerrissen. Er lief durch den Winter mit kurzen
Hosen und nackten Knien. Das verband mich mit ihm.
Wir badeten noch im November im Meer. Unsere Fahr-
räder lehnten beieinander und zitterten. An seinem Rad
hing der rote Wimpel mit dem Emblem von Hammer und
Sichel. Die Völker hörten die Signale. Die Völker hörten
nichts. Die Sirenen schwiegen. Damals schwiegen sie noch.
An meine Lenkstange hatte ich, um Lenz zu ehren, einen
schwarzen Lappen gebunden, die stolze schwarze Fahne der
Anarchie. Lenz wurde erschlagen. Das taten die mit dem
verkniffenen Gesicht. Es gab da irgendwo ein Hünengrab;
dort töteten sie ihn und verscharrten ihn gleich.
Ich wünschte ein Schauspiel. Ich reiste vierter Klasse. Ich
pochte auf die moralische Anstalt. Ich hatte zu viel gelesen.
Die Stadt rutschte hinter den Schienen weg. In Nebel, in
graue Wolken, in Schnee, in die verlorene Zeit. Sankt
Nikolai drohte zuletzt wie eine erhobene Faust. Erst später
spürte ich die Narben. Das Abteil war für Reisende mit
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