Satzvorlage Seite 063
Satzvorlage für „Jugend“ aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach / Wolfgang Koeppen: „Anamnese“, in: Merkur 23/3 (1968), 252-259.
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Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten von Putbus,
und das Schloß sieht genau wie das Schloß des Fürsten von Putbus auf der An-
sichtspostkarte aus, die sie am Eingang des Parkes verkaufen, für zehn Pfennig 63
eine schwarzweiße, nein eine graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig das
weiße Schloß unter azurblauem, fast tropischem Himmel auf einem stechend-
grünen Rasen. Das Schloß ist nicht klein und nicht groß, es ist hell angestrichen
wie mit blendendem Kalk beworfen, es ist ein sehr hübsches weißangestriche-
nes Schloß, und für die Insel Rügen und für Pommern ist es Versailles oder
Sanssouci oder sonst so etwas. Auf dem schwarzen Schieferdach des Schlosses
weht die Standarte des Fürsten, der Schullehrer des Ortes Putbus sagt, das Ban-
ner seiner Hoheit ist gesetzt, die Kurgäste flüstern, der Fürst ist zu Hause. Was
ahnen die Kurgäste? Der Fürst speist von goldenen Tellern, des Fürsten Krone
ist in das Tischtuch gestickt, die Schüsseln, das schwere Besteck tragen des
Fürsten Wappen, der Fürst regiert, aber wen regiert er? der Fürst schläft, er
umarmt die Fürstin, er zeugt den nächsten Fürsten von Putbus, der nicht herr—
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Der Park von Putbus und im Hintergrund das Schloß des Fürsten von Putbus,
und das Schloß sieht genau wie das Schloß des Fürsten von Putbus auf der An-
sichtspostkarte aus, die sie am Eingang des Parkes verkaufen, für zehn Pfennig 63
eine schwarzweiße, nein eine graue nebelfleckige Natur, für zwanzig Pfennig das
weiße Schloß unter azurblauem, fast tropischem Himmel auf einem stechend-
grünen Rasen. Das Schloß ist nicht klein und nicht groß, es ist hell angestrichen
wie mit blendendem Kalk beworfen, es ist ein sehr hübsches weißangestriche-
nes Schloß, und für die Insel Rügen und für Pommern ist es Versailles oder
Sanssouci oder sonst so etwas. Auf dem schwarzen Schieferdach des Schlosses
weht die Standarte des Fürsten, der Schullehrer des Ortes Putbus sagt, das Ban-
ner seiner Hoheit ist gesetzt, die Kurgäste flüstern, der Fürst ist zu Hause. Was
ahnen die Kurgäste? Der Fürst speist von goldenen Tellern, des Fürsten Krone
ist in das Tischtuch gestickt, die Schüsseln, das schwere Besteck tragen des
Fürsten Wappen, der Fürst regiert, aber wen regiert er? der Fürst schläft, er
umarmt die Fürstin, er zeugt den nächsten Fürsten von Putbus, der nicht herr—