MID355-M012-015

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MID355-M012
Absolute Datierung
-
Zuordnung
Fragment 1
Kopie
nein
Durchschlag
nein
Sie fürchtete die Schlangen. Sei es nun, daß sie sivh
knäulten aus dem grauen Bild in über Land und Meer,
dys er auf dem Boden aufgeschlagen hatte, und später
in irgendeinem Schulbuch die Umschlingung des Laocoon,
die wieder er vor sich hielt, aufgeschlagen nun auf
ihrem Tisch, an dem sie aßen und auf dem sie den Stoff
zuschnitt, den sie im Auftrag der Weiber nähte, dem Tisch, an dem
er auch seine Schularbeiten machte, ihr Tisch also, oder
das zologische Buch mit einer bunten Seite, dem Dschungel,
Sumpfuntergrund, grüne Farne und gefleckt und ihr Opfer
verschlingend, die zarte Antilope, doch den eignen Leib,
Kupfer- und Teer- und milchfarben, schon geschwollen,
schwanger, verdauend, was noch lebte, sich wand, sich
wehrte, vergebend, die Tiegerschlange, die Köngisotter,
sie mußte wegsehen, konnte es nicht ertragen wie auch
in Lehmkuhls deutschem Lichtspielhaus, wenn in der
künstlichen Nacht der unterhaltung und Belehrung, schwarz-
weiß, lichggezaubert, sich's vom Baum senkte über das schöne
Mädchen, verfolgte Unschuld, die aber gerettet wurde, weiter
lächelnd von den Plakaten, Littfassäulen bis ein viel gründlicherer hinterhältig
Lewiathan sie fraß, aber daran dachte sie nicht, meine Mutter. das Leben, das Alter, das Vergessen-
werden; doch als sie am Sommertheater in Puttbus war,
sah sie die Schoange wirklich, schlängelte sich über den
Promenadenweg, fast zu ihren Füßen, bäumte sich auf,
reckte das Haupt, züngelte, ein praller strammer Aal, fett, gift- gallen
grün oder sonst etwas unanscrndiges. Doch was So wir fürch-
teten, an warmen Sommertagen, waren die heimlichen Be-
wohner des Rosentals, der bei Sturmfluten vom Meer
überspülten Flur auf brackigem Grund, über die wir gingen,
das Gut zu sehen, Ephraimshagen mit seiner abweisenden,
gekalgten Mauer, der unkrautüberwuchtern, junkerlichen
Auffahrtsallee, dem Säulenpirtal von dorisch-präußischer
Strenge, der brkckelnden, traurigen Sandsteinheiterkeit
der hier wie im Stundenglas des Sensenmannes fahl ver-
rieselnden Zeit, der stolzen, abl albernen Herrschsucht
des Herrenhauses, dem ungesüürzten Gesindekönigtum, der
alten Reserverittmeisterherrlichkeit zwischen den Ställen,
der schwarzweißen Fahnenstange, den auf halbmast gesetzten
altdeutschen Träumen, ein Schwein wühlte im Pferch, ein
Hahn krähte auf dem Mist, aus vollen Eutern säuerte Milch,