22.5.1963
2
dreissig Jahre und der Dämmerung zu im Stift für die Töchter
gebildeter Stände, oder dem letzten Famulus endlich ange-
traut zu später fortpflanzung, blasser ehrgeiziger Judas,
dem auf den Weg die Leiter geholfen wird, mit Bücklingen und Winkel-
zügen und SelbstVerleugnungen in die Fakultät gebracht, der prä-
sumtive Fälscher und Zerstörer des literarischen Nachlasses, Hinterlassenschaft
der natürliche Verräter der alten Koryphäe, aber vielleicht
trägt der Meister auch noch die Perrücke, den Zopf gebunden,
ferkelschwänzig, mehlpuderbestäubt, oder er ist schon mit
dem Schlapphut, das Silberhaar schön gepflegt, glänzend in
langen Locken, auf dem Weg zur Paulskirche, seiner Vollendung
nahe, schon bald eine Spottfigur der Fliegenden Blätter, Herr
oder nicht mal mehr Herr eines vergessenen Regenschirmes,
und nur Mut, ach Geduld, im Schrank hängen schon der Sedanfrack, die Reserveleut-
antsuniform und all die Lakaienröcke seines erbärmlichen
ordengeschmückten Untergangs, die Decke des Zimmers drückt,
das Fenster ist klein, vor den unterteilten Scheiben das
Idyll der Laube, Jasmin und Weinblatt, jeder Tag bleibt dun-
kel, bei Sonne im Schatten des Turmes von St. Sankt Nicolai, bei
Nebel im Schatten Schleier der See, im Schatten in der Waschküche der ganzen Welt, im
Schatten Steckkissen des unsichtbaren Himmels, Homer schaut dem Profes-
sor zu, sein blindes Haupt auf das Pult die Estrade gesetzt, oder ist
es Perikles, der glückliche Staatsmann mit dem Helm, und
die schwächliche alte Hand klammert sich doch so energisch
an den Deckel, rettende Pult während die andere zitternd, begeistert die
Säule zeichnet, mit dem Zirjel misst, mit dem Winkelmass
rechnet, nach einer alten Vorlage, dem zerstörten Tempel von
Athen oder einem geborstenen Bogen vom Forum, lateinische
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dreissig Jahre und der Dämmerung zu im Stift für die Töchter
gebildeter Stände, oder dem letzten Famulus endlich ange-
traut zu später fortpflanzung, blasser ehrgeiziger Judas,
dem auf den Weg die Leiter geholfen wird, mit Bücklingen und Winkel-
zügen und SelbstVerleugnungen in die Fakultät gebracht, der prä-
sumtive Fälscher und Zerstörer des literarischen Nachlasses, Hinterlassenschaft
der natürliche Verräter der alten Koryphäe, aber vielleicht
trägt der Meister auch noch die Perrücke, den Zopf gebunden,
ferkelschwänzig, mehlpuderbestäubt, oder er ist schon mit
dem Schlapphut, das Silberhaar schön gepflegt, glänzend in
langen Locken, auf dem Weg zur Paulskirche, seiner Vollendung
nahe, schon bald eine Spottfigur der Fliegenden Blätter, Herr
oder nicht mal mehr Herr eines vergessenen Regenschirmes,
und nur Mut, ach Geduld, im Schrank hängen schon der Sedanfrack, die Reserveleut-
antsuniform und all die Lakaienröcke seines erbärmlichen
ordengeschmückten Untergangs, die Decke des Zimmers drückt,
das Fenster ist klein, vor den unterteilten Scheiben das
Idyll der Laube, Jasmin und Weinblatt, jeder Tag bleibt dun-
kel, bei Sonne im Schatten des Turmes von St. Sankt Nicolai, bei
Nebel im Schatten Schleier der See, im Schatten in der Waschküche der ganzen Welt, im
Schatten Steckkissen des unsichtbaren Himmels, Homer schaut dem Profes-
sor zu, sein blindes Haupt auf das Pult die Estrade gesetzt, oder ist
es Perikles, der glückliche Staatsmann mit dem Helm, und
die schwächliche alte Hand klammert sich doch so energisch
an den Deckel, rettende Pult während die andere zitternd, begeistert die
Säule zeichnet, mit dem Zirjel misst, mit dem Winkelmass
rechnet, nach einer alten Vorlage, dem zerstörten Tempel von
Athen oder einem geborstenen Bogen vom Forum, lateinische
