MID355-M025-029

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MID355-M025
Absolute Datierung
-
Zuordnung
1
Kopie
nein
Durchschlag
nein
sie sollten mein Erbe sein, denn obwohl meine Mutter
schon in der Stadt geboren war, in der Armut engen
Kammer, redete sue von Ephraimshagen mit der Bitterkeit
beraubt zu sein, und ich erkannte wieder in ihrem
kleinen, von Müdigkeit heimgesuchten Gesicht der Groß-
mutter verhärmte Züge, sah aber zugleich im Antlitz
meiner Mutter auch der Großmutter Brautbild erscheinen,
mit dem wie Spinnweb das Haupt deckenden Schleier, von
einem wandernden Pinsler getuscht, einem berachteneen
Mann, der mit den Mägden gegessen, und wohl auch die
Wände des Hauses mit klassischen Ornamenten geziert
hatte, doch Zauber blieb es, wie er das im Kommenden
Verborgene, die Liebesenttäuschung, den Trug der Leiden-
schaft, den L ebensverfall um das Brautlächeln und das
geschmückte Haar der Achtzehnjährigen gelegt hatte, und
ich schaute auch die Großmutter wie ich sie wahrgenommen
hatte mit Säuglingssinnen, ein zränenüberströmtes Gesicht,
mit dem nun schon gewollten und erstarrten Ausdruck des
Kummers, als gebe es nichts auc Erden als Schuld und
Gram, und dabei glaubte sie die Welt doch von Gott er-
schaffen, so beugte sie sich über mich, ich empfing ihre
Liebe und ihren Haß, ich empfand ihre aus meinem Anblick
sich nährende und tödlich wuchernde Verzweiflung, denn
meine Geburt war wie ein letztes und endgültiges Siegel
auf der Sippe Untergang gepreßt, auf den Verlust der
Ehrbarkeit, auf die Hingabe von Land und Ansehen, und
meine Mutter blickte wie ins Paradies durch die Einfahrt
klumpigen Staubes, geformt von der Ackerpferde müdem