MID355-M020-085
Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.
IS - 15 -
und die es in den Staub wirft, wenn Hochmut sie ihm reicht,
bleiben die strengen Schweiße der Schulangst, die sauren
Lerneiferdünste der Streber, die stolzen zerschundenen Knie der
ungezogenen Jungen, die sie im Winter dem Frost zeigen.
Ich stehe vor dem Rektor, ich bin ein Körper, ich habe eine Seele,
aber ich verliere meine Seele, ich muß aufpassen, daß sie mir
nicht entwischt, doch mein Körper hat auch seine Seele, er hat sie
neuerdings und mit dieser Seele meines Körpers, die meine andere,
meine wahre Seele bedrängt, fühle ich stark meinen Körper ,und stehe
als Körper in der Welt. Ich trage keine Unterwäsche, obwohl
meine Mutter will, daß ich sie anziehe‚ auch wenn das Hemd und
die Unterhose zerrissen sind, ich habe nur meine gestreifte
Kieler Bluse an, ich trage sie auf dem nackten Leib und eine kurze
blaue Waschhose, ich bin aus diesen Sachen hinausgewachsen, es ist
Sommer, doch am liebsten möchte ich auch bei schneidender Kälte
mitten im Winter so bloß gehen, mit nackten Beinen, nackten
Schenkeln, um den Frost auf der Haut und mit dem Frost meinen
Körper zu fühlen, der sich an den zu engen Nähten der Bluse und
der Hose reibt und diese Begrenzung besagt mir, daß ich etwas
besitze, mich, und diese Erkenntnis macht mich mächtig, auch über
den Rektor. Der Rektor ist ein schwerer Mann. Er trägt sein Haar
wie Hindenburg. Er könnte auch Schaftstiefel tragen, einen Küraß
und einen Adlerhelm. Er sitzt schwer hinter seinem schweren
Schreibtisch, und sieht mich aus kleinen trüben Augen teilnahmslos
an. Er riecht nach kaltem Zigarrenrauch. - - -
und die es in den Staub wirft, wenn Hochmut sie ihm reicht,
bleiben die strengen Schweiße der Schulangst, die sauren
Lerneiferdünste der Streber, die stolzen zerschundenen Knie der
ungezogenen Jungen, die sie im Winter dem Frost zeigen.
Ich stehe vor dem Rektor, ich bin ein Körper, ich habe eine Seele,
aber ich verliere meine Seele, ich muß aufpassen, daß sie mir
nicht entwischt, doch mein Körper hat auch seine Seele, er hat sie
neuerdings und mit dieser Seele meines Körpers, die meine andere,
meine wahre Seele bedrängt, fühle ich stark meinen Körper ,und stehe
als Körper in der Welt. Ich trage keine Unterwäsche, obwohl
meine Mutter will, daß ich sie anziehe‚ auch wenn das Hemd und
die Unterhose zerrissen sind, ich habe nur meine gestreifte
Kieler Bluse an, ich trage sie auf dem nackten Leib und eine kurze
blaue Waschhose, ich bin aus diesen Sachen hinausgewachsen, es ist
Sommer, doch am liebsten möchte ich auch bei schneidender Kälte
mitten im Winter so bloß gehen, mit nackten Beinen, nackten
Schenkeln, um den Frost auf der Haut und mit dem Frost meinen
Körper zu fühlen, der sich an den zu engen Nähten der Bluse und
der Hose reibt und diese Begrenzung besagt mir, daß ich etwas
besitze, mich, und diese Erkenntnis macht mich mächtig, auch über
den Rektor. Der Rektor ist ein schwerer Mann. Er trägt sein Haar
wie Hindenburg. Er könnte auch Schaftstiefel tragen, einen Küraß
und einen Adlerhelm. Er sitzt schwer hinter seinem schweren
Schreibtisch, und sieht mich aus kleinen trüben Augen teilnahmslos
an. Er riecht nach kaltem Zigarrenrauch. - - -