Satzvorlage Seite 042

Satzvorlage für "Jugend" aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Archivmappe
Satzvorlage
Absolute Datierung
-
Zuordnung
25
Kopie
nein
Durchschlag
nein
8.6.1962
42
Ich hatte den Krieg gewonnen, den Krieg von 1918, aber es
war ärgerlich, sich allein des Sieges zu freuen, wenn alle
anderen beteuerten, etwas verloren zu haben: sie wussten
nicht recht, was. Gewiss, man sah sie, Unglückliche, de-
nen ein Bein genommen war oder ein Arm oder ein anderes
Glied auch das Gesicht, die Gasvergifteten noch von gelb-
grüner Haut, den kleinen Lebensrest aus der zerfressenen
Lunge röchelnd‚ die Verschütteten, die der Tod nicht liess
und immerfort schüttelte, und die Frauen hatten Söhne und
Männer und die Kinder Väter nicht wiedergesehen, oder die
Kinder hatten die Väter nie gesehen, und mancher hatte
auch Besitz hingeben müssen, oder gab ihn nun her, stückweise,
nach und nach, das ererbte Haus, die Brosche vom schwar-
zen Feiertagskleid, den Witwenring, das Münzgold war schon
für Eisen gegeben, man hatte ein Dokument an der Wand oder
im Schrank verwahrt, der Kaiser bedankte sich für das ge-
spendete Gold, der Kronprinz bedankte sich in schwarzer
Husarenuniform, die Mütze schief, den Totenkopf keck, Hin-
denburg der Eiserne dankte, irgendein Kanzler, nicht Bis-
marck, nicht der Eiserne, irgendein anderer, die Unter-
schrift war unleserlich und keiner erinnerte sich an den
Namen, günstiger stand es um die gemalte Historie eines
Fräulein von Schmettau, das hehre Bild war im Tausch für das
abgelieferte Gold empfangen worden, und eine junge Dame die
sich ihr blondes Haar abgeschnitten hatte, hundert Jahre
früher und hundert Jahre Ergriffenheit, geopfert auf dem
Altar des Vaterlandes, das war preussisch‚ sagten alle
alten Volksschullehrer, und auch die höheren Lehrer und