Erstausgabe (1976) Sequenz 32

Archivmappe
Jugend
Absolute Datierung
-
Zuordnung
32
Kopie
nein
Durchschlag
nein
<73>Ich meinte, meiner Mutter drohen und ihr zugleich etwas versprechen zu müssen, damit sie mich aus der Schule nähme, und meine Drohung war, daß ich im Bett liegen bleiben und nie wieder aufstehen würde, und mein Versprechen war, daß ich von der Schule befreit, Geld verdienen würde, um ihr zu helfen. Es wäre aber gar nicht nötig gewesen, meiner Mutter zu drohen und ihr etwas zu versprechen, denn sie war sich weniger als ich der Bedeutung dieses Schrittes bewußt und sie war vielleicht, allzu ermüdet vom Kampf um die Erhaltung unseres Lebens, bereit mich irgendetwas sein zu lassen, das sich selbst ernähren konnte, nur das, sie war gewillt, wenn auch entgegen der manchmal und besonders früher ihr erscheinenden Träume über meine Zukunft, mich etwas werden, mich in einen Stand gleiten zu lassen, auf dessen Angehörige sie als Mädchen, selbst noch als Frau, hochmütig herabgesehen hatte. Sie begriff nicht, daß ich ohne Standesbewußtsein war, weder zu den einen auf, noch zu den anderen hinunter blickte, sondern in allen möglichen Daseinsformen nur Verkleidungen sah, die mir nicht stehen würden. Schließlich aber glaubten wir beide, als wir darüber sprachen, an meine Behauptung, ich würde Geld verdienen. Und so meinte ich, in das Leben einzutreten und die Kindheit abzulegen wie einen unbequemen zu klein gewordenen Mantel.