ich war Zeuge. Das ist mein Beruf. Oder ich meine? wenn ich
einen Beruf hätte, dann den des Zeugen. Aber ich bin selbstverstä
ständlich nicht dabei gewesen. Lag ich im Bett ? Zur Stunde
seiner Ermordung ? Es kann sein. Es ist wahrscheinlich. Die Deckd
über mir. Ich ging früh zu Bett. Manchmal ging ich auch spät zu
Bett. Ich schlief aber nicht im Bett, wenn ich früh zu Bett ging;
ich ging ins Bett, um Erfahrung zu sammeln. Ich las. Macbeth.
Oder Hölderlin. Oder die Gedichte eines Mannes der Benn hieß
oder vielleicht auch Becher. Ich las auch Gerstäckers Fluß -
prraten vom Missisippi. Ich enterte die Bibliotheken. Die Volks
bücherei leitete eine alte Lehrerin. Sie kleidete sich grau,
sich bewegte sich schüchtern, sie sprach jüngferlich, sie er -
schrank vor dem Leben wie eine alte Lehrerin aus einem Volks -
büchereiroman. Sie meinte, ich wolle mich bilden, sie lächelte
milde, und ich erschreckte und tyrannisierte sie in den dunklen
Gängen zwischen den Büchergestellen, dem Friedhof einer Litera-
tur, die nie gelebt hatte, und dennoch mir Eroberungen gestatte-
te, Jules Verne und die Klassiker und eine schöne Ausgabe von
Voltaire, die aus ergendeinem Irrtum in die Bücherei geraten war,
und nun bei mir stand in meiner Kammer. Später eroberte ich auch
die Universitätsbibliothek, wenn auch nicht ganz so wie die
Volksbüchereien. Die Universitätsbibliothek war ein roter kaser-
nenähnlicher Ziegelbau und wurde von vielen studiertenBiblio-
thekaren verteidigt . Aber ich entdeckte die schwache Stelle,
schlug eine Bresche. Bibliothek-srat Dr. Demuth war Anthro-
posoph. Er war auf Jünger aus, und er gab mir Hamann und Nova-
lis und Goethe und Rudolf Steiner zu lesen, und ich las Goethe,
Novalis und Hamann, und Rudolf Steiner las ich nicht, und ich
durfte mich zwischen den eisernen Gestellen der Bibliothek voran
arbeiten wie der Forscher in einem wilden schönen überraschungs
einen Beruf hätte, dann den des Zeugen. Aber ich bin selbstverstä
ständlich nicht dabei gewesen. Lag ich im Bett ? Zur Stunde
seiner Ermordung ? Es kann sein. Es ist wahrscheinlich. Die Deckd
über mir. Ich ging früh zu Bett. Manchmal ging ich auch spät zu
Bett. Ich schlief aber nicht im Bett, wenn ich früh zu Bett ging;
ich ging ins Bett, um Erfahrung zu sammeln. Ich las. Macbeth.
Oder Hölderlin. Oder die Gedichte eines Mannes der Benn hieß
oder vielleicht auch Becher. Ich las auch Gerstäckers Fluß -
prraten vom Missisippi. Ich enterte die Bibliotheken. Die Volks
bücherei leitete eine alte Lehrerin. Sie kleidete sich grau,
sich bewegte sich schüchtern, sie sprach jüngferlich, sie er -
schrank vor dem Leben wie eine alte Lehrerin aus einem Volks -
büchereiroman. Sie meinte, ich wolle mich bilden, sie lächelte
milde, und ich erschreckte und tyrannisierte sie in den dunklen
Gängen zwischen den Büchergestellen, dem Friedhof einer Litera-
tur, die nie gelebt hatte, und dennoch mir Eroberungen gestatte-
te, Jules Verne und die Klassiker und eine schöne Ausgabe von
Voltaire, die aus ergendeinem Irrtum in die Bücherei geraten war,
und nun bei mir stand in meiner Kammer. Später eroberte ich auch
die Universitätsbibliothek, wenn auch nicht ganz so wie die
Volksbüchereien. Die Universitätsbibliothek war ein roter kaser-
nenähnlicher Ziegelbau und wurde von vielen studiertenBiblio-
thekaren verteidigt . Aber ich entdeckte die schwache Stelle,
schlug eine Bresche. Bibliothek-srat Dr. Demuth war Anthro-
posoph. Er war auf Jünger aus, und er gab mir Hamann und Nova-
lis und Goethe und Rudolf Steiner zu lesen, und ich las Goethe,
Novalis und Hamann, und Rudolf Steiner las ich nicht, und ich
durfte mich zwischen den eisernen Gestellen der Bibliothek voran
arbeiten wie der Forscher in einem wilden schönen überraschungs
