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Meine Mutter fürchtete die Schlangen, und wenn wir an warmen
Sommertagen durch das Rosental gingen, die bei Sturmfluten
vom Meer überspülte Flur auf brackigem Grund, das Gut zu
sehen, Ephraimshagen mit seiner abweisenden gekalkten Mauer,
dem Säulenportal von dorisch preussischer Strenge der
bröckelnden traurigen Sandsteinheiterkeit der hier wie im
Stundenglas des Sensenmannes sichtbar verrieselnden Zeit,
vor der stolzen albernen Herrschsucht des Herrehnhauses,
dem ungebeugten Gesindekönigtum, dem junkerlichen Parade-
platz zwischen den Ställen, der schwarzweissen Fahnenstange
und den auf Halbmast gesetzten deutschen Träumen, ein Hahn
krähte auf dem Mist, aus Eutern säuerte Milch, Leben dampfte
zur Schöachtung, Spiritus fuselte, leer gähnten die geöffneten
Fenster im Mittagslicht, weiss blähten Stores, im Schatten
blieben standen sie fuchsrot polierten Möbel handwerklichen Empires,
die schweren Schränke mit goldenen Beschlägen, Lorbeer und
Kronen, die Bettgestelle mit gedrechselten Schwanenhälsen
die gebrochenen Brokate der Sessel im Salon die speckigen
Ledersitze der Bibliothek mit den Jagdkalendern der Regiments-
geschichte, dem Gewehrschrank, , den Säbeln, und Pistolen, dem grünen Billardtuch, ein
Hund trottete durch den Sand, eine Pflugschar rostete
unter der alten Eiche, und meine Mutter sprach, es gehörte
uns, sprachs, als wolle sie es mir für ewig predigen, dass
auch ich teilhabe an Verlust und Leid, es sie sollten mein Erbe
sein, denn obgleich meine Mutter schon in der Stadt geboren
war, in der Armut engen Kammer, redete sie von Ephraimshagen
mit der Bitterkeit, beraubt zu sein, und ich erkannte dann
in ihrem kleinen, schon kranken Von Müdig- keit heimge- suchten Gesicht der Grossmutter
verhärmte Züge, sah im Antlitz meiner Mutter der Grossmutter
Brautbild erscheinen mit dem wie Spinnweb das Haupt deckenden
Schleier, von einem wandernden Pinsler hier in Ephraimshagen
getischt, einem verachteten Mann, der mit den Mägden ass gegessen und
Meine Mutter fürchtete die Schlangen, und wenn wir an warmen
Sommertagen durch das Rosental gingen, die bei Sturmfluten
vom Meer überspülte Flur auf brackigem Grund, das Gut zu
sehen, Ephraimshagen mit seiner abweisenden gekalkten Mauer,
dem Säulenportal von dorisch preussischer Strenge der
bröckelnden traurigen Sandsteinheiterkeit der hier wie im
Stundenglas des Sensenmannes sichtbar verrieselnden Zeit,
vor der stolzen albernen Herrschsucht des Herrehnhauses,
dem ungebeugten Gesindekönigtum, dem junkerlichen Parade-
platz zwischen den Ställen, der schwarzweissen Fahnenstange
und den auf Halbmast gesetzten deutschen Träumen, ein Hahn
krähte auf dem Mist, aus Eutern säuerte Milch, Leben dampfte
zur Schöachtung, Spiritus fuselte, leer gähnten die geöffneten
Fenster im Mittagslicht, weiss blähten Stores, im Schatten
blieben standen sie fuchsrot polierten Möbel handwerklichen Empires,
die schweren Schränke mit goldenen Beschlägen, Lorbeer und
Kronen, die Bettgestelle mit gedrechselten Schwanenhälsen
die gebrochenen Brokate der Sessel im Salon die speckigen
Ledersitze der Bibliothek mit den Jagdkalendern der Regiments-
geschichte, dem Gewehrschrank, , den Säbeln, und Pistolen, dem grünen Billardtuch, ein
Hund trottete durch den Sand, eine Pflugschar rostete
unter der alten Eiche, und meine Mutter sprach, es gehörte
uns, sprachs, als wolle sie es mir für ewig predigen, dass
auch ich teilhabe an Verlust und Leid, es sie sollten mein Erbe
sein, denn obgleich meine Mutter schon in der Stadt geboren
war, in der Armut engen Kammer, redete sie von Ephraimshagen
mit der Bitterkeit, beraubt zu sein, und ich erkannte dann
in ihrem kleinen, schon kranken Von Müdig- keit heimge- suchten Gesicht der Grossmutter
verhärmte Züge, sah im Antlitz meiner Mutter der Grossmutter
Brautbild erscheinen mit dem wie Spinnweb das Haupt deckenden
Schleier, von einem wandernden Pinsler hier in Ephraimshagen
getischt, einem verachteten Mann, der mit den Mägden ass gegessen und