MID355-M024-069

Archivmappe
MID355-M024
Absolute Datierung
7.6.1962
Zuordnung
25
Kopie
nein
Durchschlag
nein
7.6.1962
Ich hatte den Krieg gewonnen, den Krieg von 1918, aber es
war ärgerlich, sich allein des Sieges zu freuen, wenn
alle anderen klagten, etwas verloren zu haben: sie wuss-
ten nicht recht, was. Gewiss, man sah sie, Arme, die ein
Bein verloren hatten oder ein anderes Glied oder das Ge-
sicht, die Gasvergifteten noch von gelbgrüner Haut, die
verschüttet gewesenen die sich schüttelten, und die Frau-
en hatten Söhne und Männer und die Kinder Väter nicht wie-
dergesehen oder die Kinder hatten die Väter nie gesehen,
und mancher hatte auch Besitz hingeben müssen oder gab ihn
nun her, stückweise, nach und nach, das ererbte Haus, die
Brosche vom schwarzen Feiertagskleid, den Witwenring, das
Münzgold war schon für Eisen gegeben, man hatte ein Doku-
ment an der Wand oder im Schrank verwahrt, der Kaiser be-
dankte sich für das gespendete Gold, der Kronprinz bedank-
te sich in schwarzer Husarenuniform, die Mütze schief, den
Totenkopf keck, Hindenburg dankte, irgendein Kanzler, nicht
Bismarck, ein anderer, die Unterschrift war unleserlich
und keiner erinnerte sich an den Namen, günstiger stand es
um die gemalte Historie eines Fräulein von Schmettau, das
here Bild war im Tausch für das abgelieferte Gold empfan-
gen worden, eine junge Dame, die sich ihr blondes Haar
abgeschnitten hatte, hundert Jahre früher und hundert Jahre
Ergriffenheit, geopfert auf dem Altar des Vaterlandes, das
war preussisch, sagten alle alten Volksschullehrer und
auch die höheren Lehrer und die Professorrn der Universi-
täten sagten es und trugen die Uhr an der Kette aus Eisen,