BR-HF-27108-Teil1-Seite14

Wolfgang Koeppen: „Eine Jugend“, Regie: Dr. Reinhard Wittmann, Abspieldauer (1): 28'30; Archivnummer BR: HF/27108 – Abspieldauer (2): 27'15; Archivnummer BR: HF/27108 (1976), Bayerischer Rundfunk 1976.

Archivmappe
Original-Manuskript von "Eine Jugend" aus dem BR-Archiv
Absolute Datierung
14.6.1976
Zuordnung
28 Publikation: "Eine Jugend I" (BR 1976)
Kopie
nein
Durchschlag
nein
IS - 14 -
große schwarze Ritter und kleine schwarze Gefangene spiegelfechten,
kleine schwarze Ritter und große schwarze Ungeheuer spiegelfechten,
der schwarze Schreibtisch steht auf schwarzen Löwenfüßen, die
gedrechselten schwarzen Löwenfüße krallen sich in den schwarzen
Teppich ein, gerissen liegt die Wolle des schwarzen Lamms unter
den schwarzen Füßen, die schwarze Polstertür schließt das
schwarze Universum, draußen bleibt die leiernde lernende
leidende Stimme der Klassen, bleibt das Geleier des ABC, bleibt
das Geleier des Einmaleins, bleibt der geleierte unbegriffene
Lehrsatz der Mathematik, bleibt das geleierte schon durchlöcherte
Gesetz der Natur, bleibt der geleierte zusammengesetzte Satz
der nichts sagt, bleibt das geleierte von keinem Gott vernommene
Kirchenlied, bleibt der geleierte vaterländische Gesang der den
Sänger berauscht, bleiben die geleierten Siege Friedrichs des
Großen, bleiben geleiert die Siege Bismarcks, bleiben geschmettert
die Siege des Kaisers, bleibt ungeleiert das Schweigen über dem
Was nun, bleibt eingeleiert der Haß gegen das Jetzt, das ist die
Republik, das ist Weimar, das ist Versailles, das ist die schwarze
und die rote und die deutsche Schmach, bleibt der abgerissene
doch immer fortfließende Strom zu den gefährlichen Stromschnellen
dem drohenden Stromfall da die Zeit endet oder sich auflöst oder
nie gewesen ist oder wieder anfängt oder wie heute ist, bleibt
das große Ungenügend, das dem Kind als Zeugnis mit auf den Weg
gegeben wird, draußen bleiben die Gerüche die das Kind kennt, die
es flieht, die es nicht fliehen kann, der Geruch der dicken
Zwiebelschmalzstulle, der Blutwurst zwischen den mehlbestreuten
Salzkuchen, die es nicht bekommt und nicht will, - - -