Satzvorlage Seite 073

Satzvorlage für "Jugend" aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Archivmappe
Satzvorlage
Absolute Datierung
-
Zuordnung
39
Kopie
nein
Durchschlag
nein
73
aus dem Schmutz. Zuhause sass er, so glaubte je die Fama ein
Aufwärterinnengeschwätz, in armellosen, vorn und hinten recht
ausgeschnittenen Kleidern aus einem Vorkriegsmodeheft vor
einem Stickrahmen und zauberte schöne bunte Blumensträusse
aus Garn oder Wolle. Mir gefiel das nicht. Es machte mich wütend
Ich sah den Richter in einer ererbten Villa hinter dem alten
Friedhof zwischen Büchern leben‚ eine Katze auf dem Schoß‚
den Platon lesend. So beneidete ich ihn. Gern hätte ich ihn gebeten, mich im Alt-
griechischen zu unterrichten. Ich hatte ein Lehrbuch‚ ein
Lexikon, und schrieb die griechisch auf alte die Ränder
der Zeitungen und las die antiken Dichter in den klassischen
Übersetzungen der deutschen Hellasschwärmer‚ der Idealisten und
Humanisten, die es einmal gegeben hatte. Auf der Treppe des
Gerichts ahmte ich Tante Martha nach‚ trippelte wie er hinter
ihm her, hob den imaginären Damenrock; das war nicht bös ge—
meint, ich wollte, indem ich ihn imitierte‚ seine Gedanken
lesen. Tante Martha vertrat amtlich öffentlich das Gesetz
die Moral und ihre Gesetze. Heuchelte er? Heuchel Ich glaubte
es nicht. Ihm war nur etwas gebrochen oder zerbrochen in seiner
Stadt‚ er fand wohl sich und seine Wünsche frivol‚ oder der Zölibat
hatte ihn weise gemacht wie alte Priester. So kam ich