Satzvorlage Seite 018

Satzvorlage für "Jugend" aus dem Siegfried Unseld Archiv (SUA) im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Archivmappe
Satzvorlage
Absolute Datierung
-
Zuordnung
8
Kopie
nein
Durchschlag
nein
18
Vielleicht war die Familie, die unter diesem Dach
humanistischer Bildung getrauert oder triumphiert hatte,
sie
ausgestorben oder war verarmt, oder verfemt, oder sie hatte
nur den Halt verloren, den festen Glauben an sich selbst, die Selbstverständ-
lichkeit des Bese Besitzens, den großen Dünkel der Titel oder
war einfach lieblos ehrfurchtlos geworden im Glück, gleichggltig gegen die Ahnen,
und wo der Tote gebleiben war, sein Gerippe, das hier
wohlangezogen gehaust hatte, wußte man nicht, selbst der Friedhofs-
gärtner schwieg oder wollte es nicht wissen, der Friedhofs- gärtner war ge- schäftsgebunden mit im Komplott, vielleicht
hatten sie bei nacht des Urvaters Knochen hinausgeworfen
auf den Friedhofsmüll, der Tote war exmittiert worden,
weil der Scheck nicht gedeckt, aingegangen die Miete nicht bezahlt
war. worden. Nie zögerte die Stadt, einem Schuldner das Dach zu nehmen. Es waren aber Stühle zurückgeblieben in der Gruft,
Sessel für die Trauernden, Throne für die lustigen Erben,
vergoldete Sitze, doch das Gold war abgeblättert, wir
sahen das wurmzerfressene bröckelnde Holz gleich verdor-
benem madigem Mehl und darüber den Plüsch, der einmal
Königs  königsrot gewesen war, pupurn, und nun in
schmutzigen Flecken, Streifen und Schrammen sich auflöste
über gelbweißen Wolken aus faulender Wolle. Wir waren
von Tod und Beerdigugg erschöpft, daß keiner mehr weinte.