MID355-17066-003

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MID355-17066
Absolute Datierung
14.3.1963
Zuordnung
Fragment
Kopie
nein
Durchschlag
nein
14.3.1963
dachte, wenn er uns wandern sah, im Wind, den er über
die Ostsee schickte, auf dem dürren gelben Gras des
Salzbodens, über einer Fläche, auf der wir weit und
breit die höchsten Punkte und wahrscheinlich lächer-
liche und verlorene Erscheinungen waren. Auch verfin-
sterte sich der Himmel, Schauer verfolgten meine Mut-
ter, die mit nach vorn gebeugten Schultern wie von
Teufeln gejagt ging, ein blasses Gesicht inmitten ei-
ner furchtbaren Hölle. Ich glaubte an diese Hölle,
aber ich erkannte sie nicht an. Ich dachte, wenn ich
die Augen schliesse, dann sehe ich die Hölle nicht,
und ich dachte, wenn ich die Augen auch aufhalte und
die Hölle nicht sehe, dann wird sie auch nicht da sein,
oder sie wird zumindest für mich nicht da sein. Ich
wollte meine Mutter nicht in der Hölle lassen, aber ich
wusste schon, dass meine Mutter nicht zu retten war,
denn sie hatte die Hölle angenommen. Vielleicht hatte
man sie ihr erst nur einzureden versucht. Sie hätte
noch sagen können: ich bin glücklich. Aber da alle ihr
versicherten, dass sie unglücklich zu sein habe, glaubte
sie schliesslich daran und sass, wo sie auch ging, in
der Hölle, aus der es für sie kein Entfliehen gab.
Mich hatte sie mitgenommen, aber ich ahnte, dass dies
nicht meine Hölle war. Viel Feuer brannte mich. Ich
fühlte den Schmerz, aber ich blieb überzeugt, dass es
bengalische Flammen waren, die Illumination einer fin-
steren Illusion.